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Öbel Oore/2008*





"Wer fiel vom Himmel vor unsere Tore?
Öbel Oore, Öbel Oore!"

Altes Kinderlied



1.

Erst dachten wir ein Komet hätte eingeschlagen nächtens nah beim Dorf
aber nein; es war ein Raumschiff!
Aus dem Weltall!
Man erkannte es sofort an den großen Außenbordmotoren
und den Marshall-Türmen, jeder mindestens eine halbe Million Watt groß;
ohne Mischpult!
Heraus stieg: Öbel Oore (das stand jedenfalls auf der goldenen Pimp-Kette,
die er um den Hals trug).
Auch um seinen Hals hing eine Gitarre...
"Guantanamera! Guajira Guantanamera!"; so sang er uns ansatzlos an; "Guantanamera!", und er spielte das ganze Lied.
Wir wunderten uns etwas, waren aber auch begeistert und politisch korrekt.
Beifall! Endlich mal ein netter Außerirdischer!
Öbel Oore gefiel das Lied auch, er hatte es aus dem Orbit von einem am Ku'damm spielenden Straßenmusiker aufgeschnappt,
der dasselbe Lied 10 Stunden lang spielte, Guantanamera,
von vorne und von hinten; Guantanamera, guajira guantanamera!
Gerade wollten wir unserem neuen Freund Blumen und Selbstgebackenes reichen,
da fing er auch schon wieder an: Guantanamera!
Und er spielte das Lied nochmal.
Und nochmal.
Es wurde ein wenig unbehaglich, und nach dem fünften mal
baten wir ihn aufzuhören.
Öbel aber dachte nicht im Traum daran. Guantanamera!
Und er legte viel Herz in seine Stimme.
"Öbel!", so riefen wir, "Öbel! Komm doch ma runter!"
Doch er lächelte nur schizophren und sagte: " Ich weiß was euch gut tut!
Denn ich komme aus dem Weltall!" Und er sang doppelt so laut weiter:
Guantanamera! Guajira guantanamera!
Da wussten wir, das Öbel Oore wahnsinnig war!
Natürlich versuchten wir ihn sofort zu erschießen, aber er war von einem außerirdischen Kraftfeld umgeben. Guantanamera, guantanamera!
Jetzt schließt er die E-Gitarre an.
Mit 3 Milliarden Watt dröhnt es bis in unsere Knochen: Guantanamera;
und wir rennen um unser Leben.

2.

Jetzt lauert er Nachts in dunklen Hauseingängen und wartet,
bewaffnet mit seinem widerlichen Lodenmantel und der
behinderten Beckham-Frisur, die Gitarre entsichert.
Die Angst regiert das Dorf.
Passieren ahnungslos schlendernde Pärchen seine Falle,
ist es auch schon zu spät:
"Guantanamera!", so brüllt er seine erschrockenen Opfer an,:
"Guantanamera!" und er hört nicht mehr auf bis sie winselnd am Boden liegen.
Wenn sie sich nicht mehr bewegen können, schleift er sie in sein Verließ,
einen verwinkelten Gewölbekeller, viele Meilen unter der Erde.
Und dort hängen sie auch schon, die Opfer der vergangenen Nächte,
an Ketten, kopfüber.
Der Angstschweiß hat kleine Pfützen unter ihren Köpfen entstehen lassen;
Möbel Oore lässt kleine Gummientchen darauf schwimmen, um die armen Seelen zusätzlich zu demütigen.
Sie wissen was kommt wenn der Tag anbricht: das Konzert!
Jeden Tag, von Sonnenauf -bis Sonnenuntergang: Guantanamera!
Guajira guantanamera!
Sie würden sich gern erhängen, aber sie sind ja gefesselt,
und außerdem hängen sie schon, bloß falschrum.
Guantanamera, guajira guantanamera!

Nachts streifen wir durch die Gassen und die Fackeln bluten an den Fassaden;
"Öbel Oore, komm raus du mieses Vieh! Du Schwein!
Du häßlicher Hurensohn!"; und: "Tötet Öbel Oore!"
So schallt es durch die Nacht, denn wir vermissen unsere Freunde sehr.
Öbelaber lacht heimtückisch und reitet auf seiner Gitarre in den Nachthimmel und sein Mantel flattert bösartig.
Voller Hohn tanzt seine Silhouette vorm Mond; Guantanamera!
so heult es durch die Nacht und die Amseln fallen tot von den Bäumen
doch die Raben zerfetzen sie schon im Flug
bevor sie den Boden erreichen können;
Guantanamera, guajira guantanamera und das Blut steht in den Gassen
und Federn in unseren Ohren;
Guantanamera!


3.

Wollen wir nicht ewig in Angst leben, müssen wir etwas tun.

4.

Natürlich: ein Konzert! Als Poetry-Slam getarnt stellen wir listig die Wahl
des Guantanamera-Man in Aussicht!
Unauffällig platzieren wir Spruchbänder und Plakate im ganzen Dorf
und wählen einen seit langem leerstehenden Laden in einer verrufenen Gegend als Austragungsort;
mit Gewerbemietvertrag und alles.


5.

Jetzt ist es soweit. Alle warten, mit billigen bolivianischen Strohhüten
und Panflöten ausgestattet.
Alle sagen immer: "Hola!" und "Hijo de puta!",
denn mehr spanisch können wir nicht.
Pünktlich 20.00 Uhr erscheint Öbel Oore, er ist natürlich voll drauf reingefallen.
Is ja klar, als Außerirdischer hat man ja keine Ahnung, wie das hier so läuft.
"Öbel, Öbel!", so rufen wir, "Du geile Sau! Machs uns!"
Und er macht es uns; Guantanamera von vorne von hinten kopfüber
und im Handstand und wir jubeln und schreien nach mehr.
Mit dem souveränen Lächeln des Siegertypen hebt Öbel Oore seine Augenbrauen und spielt weiter: Guantanamera! Guajira guantanamera!
Nach dem ungefähr fünfzigsten mal stürmen wir die Bühne
und wollen Autogramme.
Der ganze Laden ist völlig hysterisch und die Mädchen werfen ihre Schlüpfer:
"Oh Öbel, schnell; kritzel uns irgendwas unter die Achseln! Oh my god!"
Jetzt vertraut er uns und dann geschieht es:
Er stellt die Gitarre weg um freie Hand zum Autogramme geben zu haben!
Darauf haben wir nur gewartet! Denn es war natürlich die Gitarre,
die ihn geschützt hatte! Bei näherer Betrachtung auch völlig logisch,
denn diese bestand aus hochfesten
Verbundstoffen und hatte Saiten aus reinem Plutonium.
Mit einem schnellen Tritt bringt Natascha das Gerät außer Reichweite,
und wir stürzen uns auf ihn!
Hurtig reißen wir ihm die Gliedmaßen heraus, das er sich nicht wehren kann!
Hossa!
Damit auch wirklich nichts von ihm übrig bleibt,
kochen wir aus seinen Überresten ein leckeres Chili con carne fürs ganze Dorf; Chilli con Oore;
Guantanamera und die Spatzen kacken es von den Dächern.
Aus seinen Knochen schnitzen wir ein wunderschönes Harmonium,
welches noch heute im Laden steht, den wir natürlich behalten und taufen:
Öbel Oore!
Außerdem haben wir jetzt ein hübsches kleines Atomkraftwerk
und sind praktisch unangreifbar, was viele Vorteile hat.

Manchmal spielt jemand auf dem Harmonium und dann denken wir wehmütig zurück an die Zeit, als wir nächtens gemeinsam um die Häuser zogen; Guantanamera, guajira guantanamera!




*first on MySpace/GreatGreenAnt...those were the days; social media died with it.
  The chinese sign for truth is a symbolized bird claw above an egg; 
  meaning breeding of course.
  The problem is, when there is nothing inside, you can breed as long as you want-
  there never will rise anything.